
Ja, ich lerne, dass Demokratie nicht nur in Parlamenten stattfindet, sondern in Begegnungen – im feinen Moment, in dem ich mich verletzlich zeige oder stehen bleibe, wenn etwas in mir davonlaufen will.
Ich lerne, dass Gleichstellung kein Ergebnis ist, sondern ein Tanz – zwischen Nähe und Distanz, zwischen weiblichem Raumhalten und männlichem Entscheiden, zwischen Zuhören und Wirken.
Ich lerne, dass Macht kein Besitz ist, sondern Bewusstsein. Macht ohne Beziehung wird Kontrolle. Beziehung ohne Bewusstsein wird Abhängigkeit. Erst wenn beides zusammenkommt, entsteht Haltung – jene innere Balance, die Martin Permantier „entwickelte Autorität“ nennt.
🪞 Fremdheit als Lehrer
Fremdheit zeigt mir, wo ich mich selbst noch nicht kenne. In der Gesellschaft, im Streit, in der Liebe. Sie erinnert mich daran, dass ich mich nur dann wirklich öffne, wenn ich bereit bin, das Unvertraute zuzulassen.
Demokratie atmet dort, wo ich das Anderssein nicht sofort bewerte, sondern ihm einen Stuhl am Tisch anbiete. In der Partnerschaft ist das genauso. Ich bleibe, auch wenn die Polarität mich irritiert – wenn die weibliche Energie Tiefe fordert und die männliche Struktur Halt geben will.
Fremdheit ist kein Fehler. Sie ist der Raum, in dem Beziehung wächst.
⚖️ Zwischen Macht und Beziehung
Ich entdecke, dass Machtbewusstsein ohne Beziehungsbewusstsein hart wird, und Beziehungsbewusstsein ohne Machtbewusstsein weich. Beides braucht das andere – wie Ein- und Ausatmen.
Wenn ich Macht nicht als Durchsetzen, sondern als Bewusstheit begreife, wird sie zur Präsenz. Und Beziehung wird nicht mehr Bedürftigkeit, sondern Resonanz.
In der Clownarbeit erlebe ich das unmittelbar: Wenn ich aufhöre, zu spielen, und beginne, zu lauschen, entsteht jene stille Autorität, die nichts beweisen muss. Die Haltung, die führt, weil sie verbunden ist.
🧩 Demokratie zwischen Zerstörungslust und Heilungskraft
Die Soziologen Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey beschreiben in ihrem Buch Zerstörungslust, wie ein Teil der Gesellschaft eine fast magische Befriedigung darin findet, bestehende demokratische Strukturen herabzusetzen, um das Gefühl von Ohnmacht in Handlung zu verwandeln.
Sie nennen das „brachiale Unterkomplexität“ – jene Lust, alles Schwierige zu vereinfachen, Widersprüche zu leugnen, Verantwortung nach außen zu verlagern. Der Rechtspopulismus, so schreiben sie, lebt von dieser Energie der Vereinfachung – von Nostalgie und Feindbildern, die Halt versprechen, wo innere Reife fehlt.
Ich erkenne mich darin wieder – nicht als Täter, aber als Mensch, der diese Versuchung kennt: die Lust, Recht zu haben, die Abkürzung zur Empörung, das erleichternde Gefühl, dass die anderen schuld sind.
Doch gerade da will ich wach bleiben. Ich will die Mechanismen der Zerstörungslust in mir und um mich erkennen, ohne in Abwehr oder moralische Überlegenheit zu fliehen.
Ich ĂĽbe, den Schmerz, dass Demokratie so fragil ist, nicht mit Zynismus zu beantworten, sondern mit Beziehung.
Ich will verstehen, wo der Ruf nach Autorität aus Angst entsteht und wo Verantwortung aus Bewusstsein wächst.
In dieser Spannung liegt mein Lernfeld: Macht in mir zu halten, ohne sie gegen andere zu richten. Beziehung zu leben, ohne mich darin aufzulösen.
🌿 Verbindung und Einsamkeit
Ich kenne beide – die Ekstase des Gesehenwerdens und die Leere des Nicht-Verstandenwerdens.
In der Einsamkeit lerne ich, bei mir zu bleiben, ohne mich zu verschließen. In der Verbindung lerne ich, mich zu öffnen, ohne mich zu verlieren.
Beides gehört zu meiner Reifung. Einsamkeit reinigt mich. Verbindung nährt mich. Dazwischen liegt jener stille Ort, an dem ich mich selbst begegne – nicht als Opfer oder Held, sondern als Mensch.
đź’¬ Meine Haltung
Ich will verstehen, ohne zu verschweigen. Ich will unterscheiden, ohne zu spalten. Ich will fĂĽhren, ohne zu herrschen. Ich will lieben, ohne mich zu verlieren.
Das ist mein Lernfeld – zwischen Fremdheit und Verantwortung, zwischen Macht und Beziehung, zwischen männlich und weiblich, zwischen Einsamkeit und Verbundenheit.
Dort, in diesem Zwischenraum, atmet meine Freiheit. Dort wächst Vertrauen. Dort wird aus Demokratie Beziehung, und aus Beziehung ein Ort, an dem Wahrheit und Humor einander die Hand reichen.
📚 Quellen
Amlinger, Carolin & Nachtwey, Oliver (2025). Zerstörungslust. Elemente des demokratischen Faschismus. Berlin: Suhrkamp Verlag. ISBN 978-3-518-43266-2.
Permantier, Martin (2019). Haltung entscheidet. Führung & Unternehmenskultur zukunftsfähig gestalten. München: Vahlen Verlag. ISBN 978-3-8006-6063-6.
KĂĽchler, Barbara (2025). Weil es so nicht weitergeht. Machtspiele erkennen und Beziehung gestalten. MĂĽnchen: Vahlen Verlag (VAHLEN). ISBN 978-3-8006-7463-3.
Suppiger, Christof (2025). Tagebuchnotizen zur Beziehung von Macht und Bewusstsein. Unveröffentlichtes Manuskript. Luzern/Zürich: Eigenverlag.
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