1. Was liegt vor? – Thema benennen
Welche gesellschaftliche, politische oder ethische Frage fordert mich gerade heraus?
Welche Entscheidung steht an – ganz konkret?
✍️ Beispiel: „Soll die Schweiz das CO₂-Gesetz in dieser Form annehmen?“
2. Wo stehe ich spontan? – Erste Resonanz
Was ist mein erster Reflex – ganz ehrlich?
Was taucht spontan auf: Zustimmung? Widerstand? Skepsis? Angst? Hoffnung?
→ Hier geht es nicht um Analyse, sondern um Kontakt mit mir selbst.
(Ein Impuls aus Gopal Kleins Ehrlichem Mitteilen: Ich spüre, was da ist im Körper – ohne es zu bewerten.)
✍️ Beispiel: „Ich merke, ich will dafür stimmen. Ich fühle Dringlichkeit – und auch Anspannung.“
3. Was trägt mich? – Meine Haltung erforschen
Was ist die Haltung, aus der ich diesen Entscheid treffe?
Bin ich im Überlebensmodus (Absicherung)? In Ideologie (Verteidigung)? Oder in Beziehungsfähigkeit (Verbindung)?
→ Martin Permantier fragt: Welche Haltung steht hinter meiner Meinung?
→ Barbara Küchler fragt: Auf welcher Bewusstseinsstufe treffe ich diese Entscheidung?
✍️ Beispiel: „Ich erkenne: Ich bin getrieben vom Wunsch nach Kontrolle – will aber gleichzeitig Teil einer kooperativen Zukunft sein. Ich atme. Und höre hin.“
4. Was höre ich im Pro? – Zuwendung zur Zustimmung
Ich höre bewusst der Pro-Seite zu – innerlich oder in der Debatte.
→ Was will hier werden?
→ Welche Bedürfnisse, Werte, Visionen werden vertreten?
✍️ Beispiel: „Ich höre: Es geht um Klimagerechtigkeit, Verantwortung, klare Rahmenbedingungen. Ich spüre ein Mitgehen.“
5. Was höre ich im Kontra? – Kontakt mit dem Widerspruch
Ich höre der Kontra-Seite zu – ohne sofort zu verwerfen.
→ Was schützt sie? Was warnt sie? Welche Angst steckt drin?
→ Welche Stimmen in mir kennen diese Sorgen?
→ Stufenentwicklung heißt auch: Ich erkenne mich in tieferen oder anderen Haltungen wieder – ohne mich darüber zu stellen.
→ Ehrliches Mitteilen: Ich teile auch innere Ambivalenz, Unsicherheit oder Schmerz.
✍️ Beispiel: „Ich höre: Sorge um Arbeitsplatzverluste, Erschöpfung von Kleinbetrieben. Ich spüre ein Ziehen im Bauch, ein Widerstand gegen Überforderung.“
6. Was fühlt sich widersprüchlich an? – Innere Spannung anerkennen
Ich erlaube mir, Widersprüche zu fühlen, ohne sie sofort aufzulösen.
→ Wo ist die Spannung?
→ Was braucht Raum, um da zu sein – bevor eine Entscheidung getroffen wird?
✍️ Beispiel: „Ich will mutig sein – und gleichzeitig niemanden zurücklassen. Ich bin zerrissen. Ich atme. Ich bleibe präsent.“
7. Was ruft mich – jenseits von Pro und Kontra?
Ich öffne mich für eine Haltung, die größer ist als meine Meinung.
→ Was dient einer lebensfördernden Gesellschaft?
→ Was steht im Einklang mit der nächsten Entwicklungsebene?
→ Permantier spricht hier von Haltungserweiterung – nicht durch Argumente, sondern durch Perspektivwechsel.
→ Küchler benennt dies als transrationales Denken – sowohl als auch statt entweder oder.
✍️ Beispiel: „Ich wünsche mir eine Vorlage, die ökologische Verantwortung UND soziale Gerechtigkeit verbindet. Ich bringe diesen Wunsch in den Diskurs ein.“
8. Was ist mein reifer Entscheid – heute?
Ich treffe meine Entscheidung bewusst – nicht aus Reflex, sondern aus reflektierter Haltung. Sie darf differenziert, offen oder vorläufig sein.
✍️ Beispiel: „Ich stimme mit 80 % dafür. Und ich engagiere mich dafür, dass betroffene Berufsgruppen mitgenommen werden.“
9. Was teile ich mit der Welt? – Politischer Ausdruck aus Verbindung
Wie möchte ich meine Haltung teilen – ohne zu spalten?
→ In Worten? In Kunst? In Präsenz? In der Art, wie ich zuhöre?
→ Ehrliches Mitteilen heißt: Ich spreche aus, was in mir lebt – nicht, um zu überzeugen, sondern um mich zu zeigen.
✍️ Beispiel: „Ich teile meinen Entscheidungsbaum auf meinem Blog – als Einladung zum Mitdenken, nicht zum Zustimmen.“
✨ Schlussimpuls:
Was wäre, wenn dieser Moment der Grund ist, warum du auf diesem Planeten bist?
Nicht um zu kämpfen. Nicht um zu fliehen.
Sondern um Haltung zu verkörpern, die Zukunft möglich macht – für alle.
📎 Mehr zur Methode: integrale-politik.ch/methodik
🟥 1. Rechtskonservativer Blick (z.B. Roger Köppel / Weltwoche):
„Dieser integrale Prozess klingt schöngeistig – aber er verwischt klare Positionen. Politik braucht Klarheit, nicht Gefühl. Wer zu viel spürt, verliert den Kompass.“
Mögliche Bedenken:
Antwort aus integraler Sicht:
🟪 2. Linksextremer Blick (z.B. Christian Labhart / radikal systemkritisch):
„Diese Haltung klingt nett – aber sie integriert auch das Untragbare. Wie wollt ihr Kapitalismus, Patriarchat und Klimaverbrechen einfühlsam verstehen? Die Welt brennt – wir brauchen Widerstand, nicht Perspektivenwechsel.“
Mögliche Bedenken:
Antwort aus integraler Sicht:
đź§ Warum ich trotzdem auf Integralisierung setze
Ich wähle den dritten Weg: Haltung in Verbundenheit. Klar – und offen. Berührbar – und entscheidungsfähig.
đź§ Vergleichstabelle: Integrale Haltung vs. polare Kritik
Thema | Rechtskonservativer Einwand (z. B. Köppel) | Linksextremer Einwand (z. B. Labhart) | Integrale Antwort & Haltung |
Grundhaltung | „Das ist weichgespülter Moralismus.“ | „Das ist gefährliche Harmoniesucht.“ | Integralisierung ist kein Kuschelkurs, sondern ein radikaler Weg, Widerspruch zu halten ohne ihn zu leugnen. |
Tempo der Entscheidungsfindung | „Wir brauchen klare, schnelle Entscheide – keine Prozesse.“ | „Reden hält nur auf – wir müssen handeln!“ | Tieferes Zuhören verlangsamt nicht, sondern vertieft. Entscheidungen werden dadurch tragfähiger. |
Spüren & Emotionen | „Politik ist kein Gefühlsseminar.“ | „Gefühle bringen keine Veränderung – nur Aktion zählt.“ | Gefühle sind Indikatoren für Werte. Wer tief fühlt, kann tiefer entscheiden und verbinden. |
Umgang mit Widerspruch | „Das führt zu Beliebigkeit und Entscheidungsvermeidung.“ | „Das relativiert Unterdrückung und macht Täter salonfähig.“ | Widerspruch ist nicht Feind – sondern Lernfeld. Wer beides hält, wird nicht schwächer, sondern reifer. |
Systemkritik | „Die Institutionen sind in Ordnung – was wir brauchen ist Disziplin.“ | „Das System muss gestürzt werden, nicht verbessert.“ | Wandel geschieht auf mehreren Ebenen. Haltung transformiert sowohl Systeme als auch Subjekte. |
Politische Kraft | „So etwas bringt keine Mehrheiten.“ | „So etwas bringt keine Revolution.“ | Es bringt Bewusstheit – und daraus entsteht beziehungsfähige Kraft. Keine Macht über, sondern Kraft mit. |
Wirkung im Alltag | „Intellektuelles Elitenprojekt – fern vom Volk.“ | „Bürgerlich-verklärte Selbstbespiegelung.“ | Jeder Mensch trägt das Potenzial für Haltungserweiterung – auch am Küchentisch, im Betrieb, auf der Straße. |
Führungsbild | „Führung heißt: entscheiden, durchgreifen, führen.“ | „Führung ist männlich-patriarchal und deshalb grundsätzlich falsch.“ | Integrale Führung ist dialogisch, transparent, selbstreflektiert – und bleibt entscheidungsfähig. |
Fazit
Diese Tabelle zeigt: Sowohl rechts als auch links wird der integrale Weg missverstanden – als schwach oder verräterisch. Doch wer Haltung erweitert, hält mehr aus – und verbindet mehr Menschen. Nicht, um sich überall anzupassen. Sondern, um Wandel zu ermöglichen, der mehr trägt als Zustimmung.
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Quellen
- Integrale Politik Schweiz integrale-politik.ch
- Edward Groody: From Chaos to Community: Essential Community Building and Civility Skills. Peccos Publishing (2025)
- Scott Peck: Der wunderbare Weg: Eine neue Psychologie der Liebe und des spirituellen Wachstums. (1988)
A) Für das Gelingen des Workshops ist es erforderlich, dass TeilnehmerInnen von Beginn bis Ende anwesend sind. Sollte Dir dies nicht möglich sein, wende Dich bitte vor der Anmeldung an die Veranstalter.
B) Der Workshop dient der Persönlichkeitsbildung und bietet intensive Lernerfahrungen. Das kann unter Umständen emotional herausfordernd sein. Solltest Du in psychotherapeutischer Behandlung sein, bitten wir Dich, mit uns Kontakt aufzunehmen.Â